Für die psychogeografische Forsch ungsreise war die Festung Friedrichsort in Kiel mit ihren geschichtlichen Ein schreibungen der Resonanzraum für eine Reise in die tiefen unseres Körpers. Wir schweiften umher. Sangen ge meinsam zu Thomas DeMaizières Verabschiedung als Verteidigungs minister „Every Minute oft he future is a memory oft he past“. Wie hat sich die militärische Geschichte in den Ort der Festung eingeschrieben? Welche individuellen und kollektiven Traumata verbindet der Ort mit unseren Körpern? Wie schreiben sich diese Geschichte in uns ein?
CROSSOVER, Atelier im Anscharpark und Festung Friedrichsort, Kiel, 2016
Fotografien: © Reza Ghadyani
Reiseberichte
Mit Arianne reise ich nach Polen, Die Flucht der Mutter rückwärts, every minute of the future is a memory of the past, singen wir zusammen. Sie meint, dass das mit der Gegenwart wäre wie mit einem Punkt in der Mathematik, ohne Ausmaße ohne feste bestimmbare Größe, nicht fassbar. Ist der Körper im Jetzt? Was trägt er aus der Vergangenheit mit? Der Weg führt weiter den Deich hoch, im letzten Jahr hatte sich bei ihr ein Nierenleiden ausgebildet - Hungerödeme - wie bei Afrikanischen Kindern sagt sie. Alles wieder gut - der Arzt war nett. Dort da drüben, sagt sie, das ist die Firma MaG, deren Panzerlieferungen haben wir früher blockiert - Marianne und ihre Kommilitonen - jetzt baut die Firma Teile für Lokomotiven. 1945 hatte ihre Mutter Probleme sie zu ernähren- es gab kaum Baby- Nahrung, erzählt sie weiter, wir bleiben bei den Schafen stehen, Marianne macht ein Foto. Die sind zutraulich...
Maja und ich reisen nach Norwegen, in ihrer rechten Hand hält sie den Spielzeugtroll aus ihrer Kindheit bis heute fest, sagt sie. Bemerkt hatte sie das in einer Meditationswoche. Während einer Gehmeditation merkte sie auf einmal, dass sich ihre linke Hand, während ihr restlicher Körper entspannt war, etwas festhielt, das materiell nicht anwesend war. Der hat ihr damals als 3-Jährige beim Umzug von Dänemark nach Norwegen geholfen und irgendwie scheint er immer noch da zu sein.
„YOLO - Das ist ein Ausspruch und eine Haltung, die nur meine Generation nur hier in Europa sagen kann“. Laura, wir reisten nach Trinidad Tobago
Lily und meine Reise beginnt an der Wurzel, den Apfel aus der Rettungsfolie, ich halbiere ihn, die Kerne gebe ich in Lilys Hand. Mit einem Messer schabe ich ihr das Fleisch des Apfels aus - sie isst. Ihr Urgroßvater hat ihr immer einen Löffel Honig gegeben - nach der Schule. Den wollte sie eigentlich gar nicht - hat ihn aber trotzdem brav gegessen. Sie ist halb Dänin.
Der Schmerz hole uns in die Gegenwart, sagt sie. Als Schmerzpatient werde man ständig an seinen Körper und dessen Gegenwärtigkeit erinnert. Auf dem Deich bemerkt sie das Ulmensterben - ein gemeiner eingeschleppter Käfer - der die Lebensadern der Bäume verstopft, so - dass der Baum im Grunde verhungert.